Teil 2 - Anfang der 2. Woche

Wilde Pläne und wohin sie führen können

So ging es nicht weiter. Von Tag zu Tag spürte ich mehr, das ich dringend etwas ändern musste. Nein, nicht nur "etwas" - am Besten direkt alles; mich und mein gesamtes Leben!

Nur wollte mir nicht einfallen, wie ich das anstellen könnte.

Bis ich dann eines schönen Tages im Internet über genau das stolperte, was ich brauchte:

"Die antike Bibliothek in Dragon Valley sucht Mitarbeiter zur digitalen Erfassung und der umfassenden Re-Organisation ihrer Bestände "

Ich war sofort wie in Trance. Bücher! Antike Bücher! Das war es! Ich liebe Bücher. Und an wirklich alte, antiquarische, wertvolle Bücher kam man als Normal-Sterblicher so gut wie nie.

Der Rest der Anzeige las sich auch gut. Es ging um eine Teilzeitstelle, und man hatte erst mal Probezeit. Spätere Übernahme in Festanstellung wurde nicht ausgeschlossen. Meine Qualifikationen sollten auch ausreichen -  gute PC-Kenntnisse hatte ich auf jeden Fall. Und was konnte wichtiger sein, als Bücher zu lieben?



Ich überlegte. Sollte ich eine Bewerbung schreiben? Mein Lebenslauf las sich leider nicht besonders spannend. Vielleicht wäre es besser, sich einfach direkt vor Ort vorzustellen....?

Ein wagemutiger Plan reifte in mir....und wurde konkret, als ich in der Zeitung las, das nach unermesslich langer Bauzeit eine ICE-Strecke fertig sei. Und einer der neu erschlossenen Orte war... Dragon Valley!

Das war er, der Wink des Schicksals. Ein Omen. Oder Zeichen. 



Kurz entschlossen buchte ich ein Ticket für den nächsten Tag. 



Ich fühlte mich sehr merkwürdig, als ich an diesem Abend schlafen ging. Fast, als würde ich in ein neues Leben aufbrechen - dabei wäre ich doch spätestens übermorgen wieder zurück; ich wollte mich ja schließlich nur um einen kleinen Job bewerben.



Vermutlich lag das nur am Vollmond, redete ich mir ein. Ich hatte auch äußerst wirre Träume...sogar von einem weiblichen Alien auf unserer Veranda!

Das kam sicher nur daher, das ich mir abends noch meine Lieblingsfolge vom Sim Trek angesehen hatte, um einschlafen zu können. Zum Lesen war ich nämlich doch zu nervös.



Aber dann war es schon wieder früher Morgen, und ich verließ frohen Mutes die WG. Die anderen waren nicht da, ich wollte mich auch gar nicht groß verabschieden. Schließlich war ich ja bald wieder da.

Und vermutlich fiele es sowieso niemandem auf, das ich nicht in meinem Zimmer war.



Auf der Fahrt zum Bahnhof blickte ich nicht mal zurück.

Ich wusste ja nicht, was ich alles hinter mir lassen würde. Und für wie lange.



Umso intensiver schaute ich dann aber aus dem Zugfenster, als ich Dragon Valley vor mir im Tal liegen sah.

Die kleine, historische Stadt war bisher förmlich von der Außenwelt abgeschnitten. Erst neueste Technik hatte den Bau einer Brücke ermöglicht, durch die wenigstens die nächste Ortschaft Anschluss ans Schienennetz bekommen hatte.

Ich war gespannt wie ein Flitzebogen und freute mich ehrlich gesagt darauf, mir das genauer anzusehen. 



Ich nahm mir am Bahnhof ein Taxi, denn von dort aus war es immer noch eine ganz schön weite Strecke. Auf Simgoogle Maps hatte das wirklich näher ausgesehen.

Der Fahrer musste mich aber falsch verstanden haben; er hat mich irgendwie mitten in der Pampa auf einem leeren Grundstück abgesetzt...und war dann schneller weg, als ich "Halt!" rufen konnte.



Leider hatte mein Handy auch kein Netz...ich musste mich also zu Fuß auf den Weg in den Ortskern machen. Zum Glück war es nicht allzu weit; und der Spaziergang tat mir gut. 

Ob das hier die Bibliothek war...? Nein. Es handelt sich um das hiesige wissenschaftliche Institut! Was für ein Unterschied zum modernen Prachtbau von Sunset Valley!



Die Bibliothek war tatsächlich aber nur ein paar Schritte entfernt.



Ich nahm all meinen Mut zusammen, überwand mich und sprach die Dame an, die wohl offensichtlich hier die Chefin war.

Sie sah nett aus, aber irgendwas an ihr erschien mir merkwürdig. Ich wusste nur nicht, was. 



Nachdem sie mich nun freundlich ansah und fragte, was ich denn von ihr möchte, erklärte ich ihr, das ich mich hier um den ausgeschriebenen Job bewerben wolle.



"Sie ...wollen...was?????" 

Ihr entgleisten für einen Moment völlig die Gesichtszüge. 

"Dieses verfluchte Internet! Und diese dämlichen Computer...!!!" 

Sie holte Luft. "Das tut mir ja so unendlich leid, aber...diese Anzeige hätte niemals außerhalb oder im Internet erscheinen sollen! Das war ein Irrtum, es sollte doch lediglich in die lokale Zeitung, hier im Ort! Wir wollen niemanden von außerhalb hier ha......" 

Sie unterbrach sich. "Verzeihung" murmelte sie. Dann fing sie sich wieder. "Es tut mir sehr leid, aber die Stelle ist auch schon besetzt. Da haben Sie jetzt die ganze weite Fahrt umsonst gemacht."

"Oh." Mehr bekam ich da erstmal nicht über die Lippen.

"Ja...dann....schade. Sehr schade....ähm....es tut mir leid, das ich Sie gestört habe....auf Wiedersehen dann."



Betreten verließ ich die Bibliothek. Die im Übrigen sehr schön war und es mir unter anderen Umständen wirklich angetan hätte. 

Im Hinausgehen bemerkte ich noch, das sie gut besucht war. 

Also, irgendwas an den Sims hier war doch ...seltsam.



Ich suchte einen Taxistand. Aber ich fand keinen. Dafür aber an jeder Ecke Hinweise darauf, wie alt dieses Städtchen sein musste. Und nicht nur das: von Modernisierung hielt man hier auch nicht viel...



Eine ganze Weile später wurde mir klar: es GAB hier keinen Taxistand. Und kein Handynetz. UND kein Hotel.

Da stand ich nun: ich hatte kaum Geld mit, keinerlei Gepäck, keinen Job, und keine Möglichkeit zum Bahnhof zu kommen.

Ich kam mir alles andere als klug vor, um ehrlich zu sein. Langsam sickerte bei mir die Erkenntnis durch, das ich ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Dach über dem Kopf und ohne moderne Technik irgendwo im Nirgendwo festsaß - und das niemand wusste, wo ich war. Weil ich Held das nämlich niemandem hatte sagen wollen.

Oh Mann. Ich war echt der Trottel des Jahrhunderts!



Mein Magen knurrte vernehmlich, als ich in eine Art Gemeindegarten stolperte. Kurzerhand bediente ich mich an den paar Sachen, die schon reif waren.

Und dabei fiel mir ein kleiner Krämerladen gegenüber ins Auge. Insbesondere die Tatsache, das der gute Mann darin Campingausrüstung verkaufte...das war meine Rettung!



Ich kaufte einen Schlafsack, ein Zelt und einen Campingstuhl und ging zu dem leeren Grundstück zurück, wo ich angekommen war.

Nachdem ich dann noch aus ein paar Feldsteinen eine Feuerstelle gebaut hatte, in der bald auch ein lustiges Feuerchen flackerte, fand ich meine Lage eigentlich gar nicht so schlimm. Das war fast wie ein kleiner Camping-Ausflug; es war Sommer, ich war jung und gesund und morgen früh würde ein neuer Tag beginnen.


 

 

***Ende Teil 2***

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